Psychischen Erkrankungen kompetent begegnen

Die Paritätische Akademie Süd hat mit Dr. Stefanie Kirchhart, Dipl. Pädagogin & Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, für 2016 ein neues Angebot zu dieser Thematik entwickelt. Wir stellen Ihnen die modulare Kursreihe in 10 Tagen vor und die Dozentin Frau Dr. Kirchhart (SK) spricht im Interview über die Herausforderungen im Umgang mit psychisch auffälligen und kranken Menschen und die Kursreihe im Speziellen. Millionen von Menschen in Deutschland sind psychisch krank. Ob psychische Erkrankungen zugenommen haben, ist umstritten. Trotz rückläufiger Krankstände in den letzten Jahren sind psychische Erkrankungen heute, laut dem BKK Gesundheitsreport 2014, zweithäufigste Diagnosegruppe bei Krankschreibungen und Arbeitsunfähigkeit. In jedem Fall gibt eine größere Sensibilität für das Thema und die psychischen Erkrankungen werden früher diagnostiziert und nicht erst die körperlichen Spätfolgen.

Die Zahl derer, die wegen seelischen Leiden wie Depression, Sucht oder Angststörungen Hilfe suchen, nimmt nachweislich zu. Einige Studien gehen sogar davon aus, dass fast jeder im Laufe seines Lebens einmal davon betroffen ist – entweder selbst oder als Verwandter oder Freund eines Menschen, der erkrankt.

Der Kontakt mit psychisch auffälligen und kranken Menschen führt aufgrund ungewohnter Verhaltensweisen und Reaktionen zu Unsicherheiten und fordert unsere Beratungskompetenz heraus. Die neu entwickelte Kursreihe soll sowohl Einsteiger/-innen als auch erfahrenen Fachkräften bei der Bewältigung dieser großen Herausforderung unterstützen und ihnen praxisbezogen einen Überblick über wichtige psychiatrische Erkrankungen bietet:

Depression, bipolare Störung, Angststörungen (Phobien, soziale Angst, generalisierte Angststörung) und Zwangsstörungen; Psychosen, Persönlichkeitsstörungen, Schwerpunkt Borderline, Erkrankungen im Kinder- und Jugendalter; Transkulturelle Aspekte von psychischen Erkrankungen. Trauma und Migration, Autismus Spektrum Störung (ASS); Kommunikation und therapeutisches Methodentraining

PAS: Warum wurde aus dem insgesamt drei-tägigen Basis- und Fortsetzungsseminar die neue Seminarreihe „Psychische Erkrankungen“ entwickelt?

SK: Wir haben aus verschiedenen Gründen entschieden, die Fortbildung zu einer größeren Reihe auszubauen: Wir verzeichnen in unserer Gesellschaft eine Zunahme an psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen wie auch Erwachsenen. In vielen pädagogischen Ausbildungsgängen sind grundlegende Informationen zum psychischen Erkrankungen und mögliche Arbeitsmethoden nicht Bestandteil der Ausbildung, begegnen uns jedoch zunehmend im Alltag der sozialen Arbeit. Dieser Herausforderung möchten wir mit dem umfassenden Angebot Rechnung tragen.

Das bisherige Angebot war ein Überblick über die wichtigsten Störungsbilder in sehr kurzer Zeit. In der neuen Reihe können wir uns der Vielfalt der psychischen Erkrankungen differenzierter widmen und haben außerdem mehr Zeit, die unterschiedlichen Arbeitsmethoden und Techniken zu erproben, um Möglichkeiten des Umgangs kennenzulernen. Dabei erhalten wir einen Einblick in therapeutische Methoden, welche auch im pädagogischen Setting anwendbar sind.

PAS: Was ist eine der größten Herausforderungen im Umgang mit psychisch auffälligen und kranken Menschen?

SK: Zu den größten Herausforderungen gehört es meines Erachtens, durch das krankheitsbedingten andere Verhalten, welches uns bei betroffenen Menschen begegnet, unsere fachliche Kompetenz zu nutzen und immer wieder zu erweitern, um Verstehenskonzepte fortzuentwickeln und in konkretes zielorientiertes Handeln umzusetzen. Darüber hinaus sind wir in unserer personalen Kompetenz herausgefordert, da psychisch kranke Menschen uns in unserem Verhalten und Handeln fordern und wir unser eigenes Erleben in unterschiedlichen Arbeitsbeziehungen mit betroffenen Menschen sowie unsere Interaktion ständig reflektieren müssen.

PAS: Inwiefern wurde die hoch aktuelle Flüchtlings- und Migrationsproblematik inhaltlich in der Kursreihe berücksichtigt?

SK: Wir berücksichtigen die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen mit einem Fortbildungstag, an dem wir uns speziell mit der Situation von Flucht und Migration und den Folgen auseinandersetzen. Dabei geht es zum Einen um Hintergrundwissen zu Flucht mit Aspekten interkultureller Kompetenz, zum Anderen darum, einen sicheren Umgang mit der High-Risk-Gruppe der Menschen mit Fluchterfahrung und deren möglicher Traumatisierung und der posttraumatischen Belastungsstörung zu erlangen. </p>

PAS: Für welche Zielgruppe ist diese Kursreihe konzipiert?

SK: Die Reihe ist für alle geeignet, die sich vertieft mit psychischen Erkrankungen auseinandersetzen wollen, einen fundierten Überblick bekommen möchten und in ihrer Arbeit mit Erwachsenen oder Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankung begegnen.

Psychische Erkrankungen - eine modulare Kursreihe in 10 Tagen - fakultativ mit einem Zertifikat nach mindestens acht absolvierten Seminartagen
Anmeldeschluss: 12.01.2016
Start: 04/05.02.2016
Kontakt und Beratung: Julia Kienzle-Schwarz, 07961 959-881, kienzle-schwarz@akademiesued.org

In der Kursreihe werden neben Begriffsklärung und Unterscheidung verschiedenen Ausprägungen unterschiedlicher Krankheiten, auch Informationen über die häufigsten Erkrankungen und ihre Symptome vermittelt, Grundlagen der Diagnostik von Krankheitsbildern und damit verbundene Verhaltensweisen der psychischen Erkrankungen besprochen und konkrete und praktisch umsetzbare Methoden der Kommunikation und Therapie vorgestellt. Durch die systematische Auseinandersetzung mit den Erkrankungen entwickeln sich im Seminarverlauf Fähigkeiten zum Erkennen von Anzeichen der Erkrankungen sowie die Möglichkeit, die jeweilige emotionale psychische Situation eher „nachzuempfinden“.

Ziel der Seminarreihe ist eine Sensibilisierung für die besondere Situation der Betroffenen, die Entwicklung eines besseren Verständnisses für die Erkrankung und des damit verbundenen Verhaltens und der entsprechende Umgang mit den unterschiedlichen Erkrankungen und Beschwerden, die eine ziel- und lösungsorientierte aktivierende Arbeit mit betroffenen Menschen jeden Alters ermöglichen und klärend für die Entwicklung der Hilfe wirken.

Im Seminarverlauf werden unterschiedliche Methode angewandt: Filmbeiträge von betroffenen Personen ergänzen das Verständnis für die Erkrankungen; Fallbeispiele aus der konkreten Arbeit fließen ein, so dass die Teilnehmenden die Verhaltensweisen und Schwierigkeiten im Alltag analysiert und nach Umgangsmöglichkeiten gesucht werden können und die eigenen bisherigen Handlungsmuster reflektiert werden können. Auch der TEACCH Ansatz und die Methode des storytelling sowie die Validierung, Zielvereinbarung und kognitive Methoden werden neben Emotionsregulationstechniken erprobt.

Um den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden, ist die Kursreihe als offene modulare Weiterbildung angelegt. Somit hat jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin die Möglichkeit, die eigene Schwerpunktsetzung zu gestalten. Die Kursreihe umfasst insgesamt 10 Tage, die in sechs Module gegliedert sind.

Vier Module umfassen zwei Tage, zwei Module sind eintägig. Nach jedem Modul erhalten Sie eine Teilnahmebescheinigung; werden acht Tage durch Einreichen der Teilnahmebescheinigungen nachgewiesen, erhalten Sie ein Zertifikat der Paritätischen Akademie Süd.

  • Modul 1 (4./5.02.):
    Grundlagen der Diagnostik psychischer Erkrankung – Erkrankungsbilder Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen
  • Modul 2 (11./12.04.):
    Psychosen, Persönlichkeitsstörungen, Schwerpunkt Borderline
  • Modul 3 (16./17.06):
    Psychische Erkrankungen im Kinder- und Jugendalter
  • Modul 4 (22.09.):
    Transkulturelle Aspekte von psychischen Erkrankungen
  • Modul 5 (20.10.):
    Autismus Spektrum Störung (ASS)
  • Modul 6 (15./16.12.):
    Kommunikation und therapeutisches Methodentraining

Dieser Artikel erscheint in veränderter, kürzerer Form in der Dezember Ausgabe der PariInform Nr. 4, 2015, dem Mitgliedsmagazin des Paritätischen Landesverbandes Baden-Württemberg.

 

 

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