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Sozialmarketing – Ein Interview mit Christoph Baumanns

Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising sollten als wichtig erachtet werden und in Unternehmen und Organisationen ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um die soziale Institution und deren Ziele wirksam in der Öffentlichkeit dazustellen zu können und die Organisation von Maßnahmen zur Spendengewinnung zu ermöglichen. Christoph Baumanns ist Kommunikationsberater für Unternehmen und kirchliche & öffentliche Einrichtungen.

Er bietet in 2014 zwei spannende Seminare im Bereich Sozialmarketing an: „Storytelling in der Kommunikation von Nonprofit-Unternehmen – Erfolgreiches Fundraising braucht gute Geschichten“ und „Planvoll, nicht getrieben – Ressourcenorientierte Öffentlichkeitsarbeit“. Im Interview spricht Christoph Baumanns (CB) unter anderem über die Voraussetzungen guter Öffentlichkeitsarbeit, warum Geschichten wichtig sind, wie man sie entdeckt und was man mit ihnen macht.

PAS: Was sind Ihrer Meinung nach die Grundlagen einer guten Öffentlichkeitsarbeit in einem Unternehmen in der Sozialen Arbeit?

CB: Ganz klar: Die richtigen Mitarbeiter/-innen damit beauftragen. Öffentlichkeitsarbeit braucht Menschen, die richtig Lust haben, das was das Unternehmen tut, gut zu kommunizieren, Menschen, die im Kommunikationsbereich auch das ein und andere Talent haben. Gute Öffentlichkeitsarbeit braucht außerdem die Mitwirkung und Rückendeckung der Geschäftsführung. Wenn die Leitung Öffentlichkeitsarbeit als „nicht so wichtig“ erachtet – was ja oft auch heißt, dass dafür keine oder ungenügende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden ‑, dann können wir das Ganze vergessen. Das unterscheidet im Übrigen Unternehmen der sozialen Arbeit in nichts von Unternehmen anderer Branchen.

PAS: Zum Standard der meisten Organisation gehören heute sicherlich Instrumente wie Newsletter, Pressemitteilung, Webauftritt – welche Rolle schreiben Sie den Sozialen Netzwerken zu, also Facebook, Twitter etc.?

CB: Ich persönlich stehe den sozialen Netzwerken sehr kritisch gegenüber. Es ist mir zuwider, dass die Auswertung meiner Kommunikation zu Werbezwecken verkauft wird. Ich wundere mich auch immer, wie wenig das anderen Leuten ausmacht, die ich ansonsten für kritische Geister halte. Ich habe auf Facebook und Co. auch noch keine Kommunikation gefunden, die mich überzeugt hat. Es ist doch viel Lärm um Nichts. Man bewegt sich stets in ausgewählten, technisch eingeschränkten Kreisen – für mich eine seltsame Vorstellung offener Kommunikation. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. In den Teams, in denen ich arbeite, bedienen andere die sozialen Netzwerke. Für diese Netzwerke gilt das Gleiche wie für die anderen Medien: Die Story muss zum Medium passen. Aber auch da bin ich bei Facebook und Twitter gleich wieder skeptisch. Das ist doch mehr ein Plaudern als ein Erzählen.

PAS: Ständig zu wenig Zeit, das kennt jeder – eine gute Öffentlichkeitsarbeit mit den vorhandenen Ressourcen zu machen, klingt verlockend, aber wie kann es gelingen, nicht nur „von der Hand in den Mund“ zu leben und die Aufgabenliste abzuhaken, sondern dabei auch noch Ideen zu haben, wenn für die Öffentlichkeitsarbeit nur ein Teil der Arbeitszeit zur Verfügung steht?

CB: Bei knappen Ressourcen kann es nur darum gehen, „nein“ zu sagen. Das heißt, es muss auflistet werden, was unbedingt zu tun ist, und das wird ins Verhältnis zu der Zeit (und oft auch Kraft) gesetzt, die zur Verfügung steht. Manchmal geht es zuerst um eine realistische Einschätzung dessen, was möglich ist. Das eröffnet oft schon Zeit und Raum. Und genau das brauchen Ideen: Zeit und Raum. Ideen sind schlecht planbar. Ich höre immer wieder, dass die Workshop-Teilnehmer/-innen davon berichten, dass Ihnen die Idee nicht auf der Arbeit gekommen ist, sondern beim Spaziergehen, unter der Dusche stehen, Nichtstun etc. Wenn man das weiß, gibt es schon mal eine andere Wertschätzung für diese Zeiten.

PAS: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wo eine Idee entwickelt und umgesetzt wurde, die sinnvoll, passend und vielleicht sogar innovativ war?

CB: Beispiel 1, Flyer: Eine Einrichtung der Telefonseelsorge lässt einen Sponsor erzählen, welche Geschichte ihn bewegt, die Telefonseelsorge finanziell zu unterstützen, und warb damit um neue Sponsoren. Beispiel 2, Veranstaltung: Eine Kirchengemeinde nimmt an einem Stadtteilfest mit dem Titel „Tag der Erde“ teil, bei dem das Thema „Umwelt“ im Vordergrund steht. Die Gemeindemitglieder legen von der Feststraße bis zum Altar ihrer Kirche eine Reihe aus roten, weißen, violetten Stiefmütterchen und eine Reihe aus Erde, die die Initiatoren aus ihren Gärten mitbrachten, sozusagen eine „Sich-auf-den-Weg-machen-Geschichte“, die sehr viele Menschen dazu animiert, der Spur aus Pflanzen und Erde zu folgen und vom Trubel des Festes in die Stille des Kirchenraumes zu wechseln. Beispiel 3, Internetseite: Ein Hotel, das sich in seiner Öffentlichkeitsarbeit auf die Aspekte „der gute Morgen“ und „das gute Frühstück“ konzentriert, macht die Qualität seines Service dadurch deutlich, dass alle Service-Mitarbeiterinnen ihre persönliche Geschichte davon erzählen, was für sie ein guter Morgen ausmacht.

PAS: Sie sagen, mit Geschichten gewinne ich Aufmerksamkeit, gute Öffentlichkeitsarbeit hat starke Storyelemente. Das klingt einleuchtend und überzeugend, aber wie entdecke ich Geschichten im eigenen Arbeits- und Themenalltag. Gibt es hierfür eine bewährte Methode?

CB: Ein Journalist hat einmal für ein Buch zum Thema „Glück“ recherchiert. Er ist durch die Weltgeschichte gereist, hat sich angeschaut, wie die unterschiedlichen Kulturen mit dem Thema umgehen, vor allem wie sie lehren, als Mensch glücklich zu sein. Das was ihm selbst am meisten geholfen hat, weil in der Wirkung nachhaltiger als das Wissen aller ‚Glücksritter‘, die er bei seinen weltweiten Recherchen kennenlernte, war der Rat, sich jeden Tag vor dem Schlafen Gehen zehn Minuten Zeit zu nehmen und aufzuschreiben, was ihn heute glücklich gemacht hat. Das ist auch eine gute und bewährte Methode, Geschichten im eigenen Arbeits- und Themenalltag zu entdecken und festzuhalten.

PAS: Können Sie uns ein Beispiel für eine gute, geeignete Geschichte nennen, um eine bessere Vorstellung zu bekommen, was sich hinter einer solchen konkret verbirgt?

CB: Gerade im sozialen Bereich sind erst einmal alle Geschichten gut, die nicht erfunden sind, sondern tatsächlich passiert. Mit etwas Glück sind die Betroffenen dazu zu bewegen, ihre eigene Geschichte selbst zu erzählen. Ein Beispiel aus einem etwas anderen Zusammenhang: Die Stadt Kassel hat eine Gedenkveranstaltung zur Bombardierung der Innenstadt am 22. Oktober 1943 ausgerichtet. Da kamen nicht nur Menschen zu Wort, die die nahezu vollständige Zerstörung der Stadtmitte persönlich erlebten, sondern auch eine junge Frau, die wir eingeladen hatten, von ihrer Sicht auf den längst vergangenen Krieg, von den Gesprächen zum Thema in der Familie und im Freundeskreis, von ihren Wünschen und Hoffnungen auf Frieden in der Welt zu erzählen. Das hat sie auf eine Art und Weise getan, dass dem Publikum auf nachdrückliche Weise klar wurde, wofür es eine solche Gedenkveranstaltung geben muss und wie wichtig es ist, von solchen Geschichten, die die Stadt prägen, öffentlich und persönlich zu erzählen; wobei in diesem Fall die Betonung auf „und“ liegt.

PAS: Geschichte gefunden und was kommt dann? Wie kann man diese für seine Mittel einsetzen?

CB: Durch Inspiration, Arbeit und der Bereitschaft, mit dem Senf, den Andere zu der Geschichte abgeben, die eigene Geschichte neu zu würzen. Das zu lernen und anzuwenden, ist Thema meines Workshops. Hier vielleicht ein paar Stichwörter: Idee ausformulieren; falls notwendig Ausgangsmaterial erweitern und zusätzliche Recherchen unternehmen; die Fragen „mündlich oder schriftlich?“, „in welchem Medium soll die Geschichte platziert werden?“, „für welche Zielgruppe?“ und „was will ich mit dem Erzählen dieser Geschichte erreichen?“ beschäftigen; dann kommt die redaktionelle Arbeit mit bestimmten Regeln für den Sprachstil der Geschichte und schließlich der Bewährungstest, bei dem die Geschichte zum Beispiel Kollegen/-innen oder Vertretern/-innen der Zielgruppe vorgestellt wird. Meistens sind dann noch weitere redaktionelle Arbeiten notwendig, bis es dann heißt: „Da sammelte das Mädchen sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.“ (Ende des Grimm-Märchens „Die Sterntaler“).

Sozialmarketing Seminare mit Christoph Baumanns:

Storytelling in der Kommunikation von Nonprofit-Unternehmen – Erfolgreiches Fundraising braucht gute Geschichten
19. – 20.05.2014, Frankfurt a. M.

Planvoll, nicht getrieben – Ressourcenorientierte Öffentlichkeitsarbeit
16. – 17.06.2014, Heidelberg

 

Weitere Seminare aus dem Bereich Sozialmarketing:

Fundraising – nachhaltig Spender gewinnen!
Dozent: Julian Feil
25. – 26.03.2014, Nürnberg
24. – 25.09.2014, Stuttgart

Web 2.0 - Resonanz in der virtuellen Welt
2. – 3.07.2014, Frankfurt a. M., Dozent: Oliver Esberger

Strategische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
08.07.2014, Nürnberg, Dozentin: Sabine Mach

 

 

 

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