Prof. Dr. Ulrich Wehner

Leitungsverantwortung in der Frühpädagogik

Interview mit Prof. Dr. Ulrich Wehner, Pädagogische Hochschule Karlsruhe, über die berufsbegleitende Akademische Weiterbildung „Leitungsverantwortung in der Frühpädagogik“ mit dem Ziel Bachelor of Arts, Professionalisierung, Motivation und Wertschätzung in der frühpädagogischen Arbeit für die September Ausgabe von kita aktuell 9/2014

 

Prof. Dr. Ulrich Wehner (UW) hat seit 2011 die Professur für Frühkindliche Bildung/Elementarpädagogik und Grundschulpädagogik in der Abteilung für Schulpädagogik und Elementarpädagogik am Institut für Bildungswissenschaft der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe inne und ist jetzt auch Studiengangleiter der Akademischen Weiterbildung „Leitungsverantwortung in der Frühpädagogik“ mit dem Ziel Bachelor of Arts, die in Kooperation mit der Paritätischen Akademie Süd durchgeführt wird.

PAS: Für wen ist die berufsbegleitende Akademische Weiterbildung „Leitungsverantwortung in der Frühpädagogik“?

UW: Die Weiterbildung richtet sich an berufserfahrene Fachkräfte aus dem Feld der Kindheitspädagogik (Altersbereich 0-12), die ihr Erfahrungswissen sowie ihre Kenntnisse und Kompetenzen aus der Ausbildung zur Erzieherin / zum Erzieher, mittels eines  berufsbegleitenden akademischen Angebots auf den neusten wissenschaftlichen Erkenntnisstand bringen möchten. Fokussiert wird dabei insbesondere die Bedeutung für  und von Leitungstätigkeiten im kindheitspädagogischen Feld. Darum ist das Angebot vor allem für Führungskräfte und an Führungsaufgaben interessierte Fachkräfte aus dem kindheitspädagogischen Feld von Bedeutung. Das Besondere an dieser Weiterbildung besteht darin, dass Fachkräfte mit Erzieherausbildung nicht nur ihre Kompetenzen weiterentwickeln können, sondern auch die Option erhalten, im Anschluss an die Fortbildung mit dem BA staatlich anerkannte(r)  Kindheitspädagoge/in einen akademischen Abschluss zu erwerben. 

PAS: Wie läuft das Bewerbungsverfahren ab?

UW: Interessierte Bewerberinnen und Bewerber richten zunächst Ihren Zulassungsantrag an die Paritätische Akademie Süd, die diesen auf Vollständigkeit prüft. Neben den formalen Voraussetzungen wie dem  Abschluss einer staatlich anerkannten Ausbildung im  kindheitspädagogischen Feld (z.B. als ErzieherIn) und der Berufspraxis, spielt bei der Bewerbung vor allem auch das Motivationsschreiben und die vorherige Beratung bzw. Teilnahme an einer unserer Informationsveranstaltungen eine wichtige Rolle. Nachdem die Paritätische Akademie Süd die Unterlagen auf Vollständigkeit geprüft hat, erfolgt die Weiterleitung an die PH Karlsruhe. Hier befindet eine Zulassungskommission des Studiengangs über die endgültige Zulassung.

PAS: Aufgrund der RE-Akkreditierung wurde das Konzept qualitativ weiterentwickelt, d.h.  Inhalte überarbeitet, Module ergänzt und Präsenztage erhöht. Warum?

UW: Die Paritätische Akademie Süd und die PH Karlsruhe haben sich in Ihrem Kooperationsvertrag zu einer fortlaufenden Evaluierung des Angebots verpflichtet, denn die Qualität steht nicht nur bei unseren grundständigen Studienangeboten im Zentrum. Dies gilt sowohl auf inhaltlicher als auch auf struktureller Ebene. Die Erfahrungen aus den ersten Durchgängen, insbesondere mit den ersten Absolventen des Jahrgangs 2011, haben gezeigt, dass wir auf einem sehr guten Weg sind und dass der Theorie-Praxis-Transfer hervorragend gelingt. Doch  wurden auch gewisse Schwächen deutlich, die wir mit dem neuen Curriculum beheben wollen. Das betrifft insbesondere die intensivere Einbeziehung des wissenschaftlichen Arbeitens und Studierens, eine stärkere Gewichtung betriebswirtschaftlicher Lehrthemen aber auch eine Stärkung von grundlegenden Inhalten in den Bereichen „Kindliche Bildungs-, Entwicklungs- und Lernprozesse“, „Krippenpädagogik“ sowie in spezielleren Themengebieten wie „Globales Lernen / Bildung für nachhaltige Entwicklung“ oder „Erlebnispädagogik“. Ziel ist, den Weiterbildungsstudierenden ein möglichst breites thematisches Spektrum zu bieten, und gleichzeitig den notwendigen inhaltlichen Tiefgang zu gewährleisten.

PAS: Die Selbstlernzeiten wurden mit einem Konzept und Kontrollmechanismen versehen. Können Sie grob skizzieren, was das konkret heißt.

UW: Die Gestaltung des Selbststudiums stellt bereits im grundständigen Studium eine große Herausforderung für die Studierenden dar, weil Studienkulturen im Unterschied zu schulischem Lernen in Zeitmanagement und inhaltlichen Schwerpunktsetzungen mehr Selbstständigkeit verlangen.

Die Evaluation der ersten drei  Studiendurchgänge ergab, dass diese Herausforderungen auch bei berufsbegleitenden Angeboten eine große Rolle spielt. Denn hier haben die Akteure häufig gleich zwei Hürden zu nehmen. Erstens müssen sie, neben ihre beruflichen Tätigkeiten, wieder ein intensive Lernkultur aufbauen.  Zweitens müssen sie eine universitäre Lernkultur entwickeln, die sich von den ihnen bereits bekannten Lerngepflogenheiten aus Schule und Ausbildung unterscheidet.

Mehr konkrete Vorgaben für das Selbststudium sollen die Teilnehmer darin unterstützen,  Anforderungen aus dem Beruf, dem Weiterbildungsstudium und dem Privatleben durch eine Erhöhung von Planungssicherheit und Transparenz gezielt aufeinander abzustimmen. Ein vorgegebener Literaturkanon mit passgenauen Aufgabenstellungen erleichtert die Strukturierung des Lernpensums und hilft den jeweiligen Aufwand pro Modul besser einschätzen zu können.

Die Konkretisierung der Selbstlernzeiten trägt nicht zuletzt auch dazu bei, dass Präsenzeinheiten an der Hochschule im Rückgriff auf gezielte häusliche Vorarbeiten intensiver genutzt werden können und in Kombination mit Aufgaben zur Nachbearbeitung eine hohe Qualität des Studiums verbürgen.

PAS: Was zeichnet die Kooperation der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe mit der Paritätischen Akademie Süd, einem Bildungsträger des Paritätischen, einer der großen Wohlfahrtsverbände, aus?

UW: Das Modell der PHs zeichnet sich gegenüber Universitäten seit jeher durch eine starke Verzahnung von pädagogischer Theorie mit pädagogischer Praxis aus und passt damit sehr gut zum Profil der Paritätischen Akademie Süd als einem renommierten Träger von anwendungsorientierten Fortbildungen.

Die PH erkennt in der Zusammenarbeit mit dem Bildungsträger eines der großen Wohlfahrtsverbände insbesondere die Chance in verstärktem Ausmaß zu „hören“ was Beschäftigte nach mehrjähriger Tätigkeit in der Praxis bewegt. Das erscheint ungemein wichtig, denn die PH sieht es als eine ihrer Aufgaben an, im Sinne lebenslangen Lernens, ihr Lernangebot nicht auf eine akademische Erstausbildung zu beschränken.

In der Kooperation seit 2011 haben Hochschuldozenten die erfahrungsgesättigten Berufsbiographien der Teilnehmer als einen großen Gewinn für Weiterentwicklungen einer wissenschaftlich fundierten und handlungsorientierten Lehre erfahren.

Berufserfahrene Fachkräfte schätzen es, dass ihre Perspektiven aufgegriffen und in Relation zu neusten Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung gesetzt werden.

Professionstheoretisch betrachtet leistet diese Kooperation einen konkreten Beitrag zur Befreundung von verschiedenen Berufskulturen und zur verstärkten Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams.  Und bildungspolitisch realisiert diese Kooperation im Feld der Kindheitspädagogik eine oft geforderte und selten erreichte Öffnung der Hochschule.

PAS: Das Gehalt von Erzieher/-innen ist trotz Fachkräftemangels gering, die Wertschätzung oft ebenso. Immer wieder hört man den Satz: Für Kinderbetreuung müsse man doch nicht studieren. Was spricht für die Akademisierung gerade auch im Kita Bereich?

UW: Für die Akademisierung von Fachkräften im Elementarbereich spricht negativ gesprochen, dass deren Arbeit mitnichten weniger anspruchs- und bedeutungsvoll ist, wie diejenigen von Lehrkräften, etwa an Grundschulen. Positiv festgehalten wurde dieser hohe Anspruch in Erziehungs- und Bildungsplänen, auf die das Feld lange warten musste.

Positiv gesprochen hat die interdisziplinäre Lehr-Lernforschung der letzten Jahrzehnte in mehrfacher Hinsicht bestätigt, dass es auf in Bildungs- und Lernbiographien auf Anfänge ankommt und dass Versäumnisse in frühen Lebensjahren nur mit viel Kraft auf Seiten von Lernenden und Lehrenden und erheblichen finanziellen Kosten für die Gesellschaft in späteren Lebensjahren kompensiert werden können.  Von hochwertiger Arbeit profitieren insbesondere Kinder, die aus sog. bildungsfernen Elternhäusern stammen und Kinder mit Migrationshintergrund, die beim Erwerb von Deutsch als Zweitsprache auf eine fachkundige Unterstützung außerhalb ihrer Familie angewiesen sind.  Längst sind Fachkräfte auch nicht nur für die direkte Arbeit mit Kindern zuständig.

Fachkräfte müssen Leitbilder entwerfen und Maßstäbe guter Arbeit über Qualitätsmanagement in ihre Einrichtungen implementieren, dort dauerhaft sichern und permanent weiterentwickeln. Fachkräfte pflegen Erziehungspartnerschaften mit den Erziehungsberechtigten und Kooperationen im Sozialraum, angefangen von Grundschulen, über regionale Firmen, Behörden  bis hin zu regionalen Kulturträgern.  Und schließlich leiten Fachkräfte nicht selten Einrichtungen mit 20. Mitarbeitern. Das entspricht der Leitung eines größeren mittelständischen Unternehmens und bringt zahlreiche Aufgaben mit sich, die in der Erzieherausbildung nur rudimentär gestreift werden. So gesehen bleibt in der Leitungsverantwortung in der Frühpädagogik viel zu tun, sowohl auf nicht akademischem, als auch  auf akademischem Niveau.

Wenngleich die Bezahlung von Kindheitspädagogen der professionellen Entwicklung des Feldes nicht Schritt hält, ist auch hier einiges geschehen. Kindheitspädagogen starten womöglich zum gleichen Gehalt, kommen aber, wie Studien belegen, nach zwei bis drei Berufsjahren häufig in besser dotierte Positionen, sei es in der Leitung oder in der Fachberatung. Politisch stehen die Zeichen gut, dass sich auch in der anfänglichen Eingruppierung zeitnah etwas ändern wird.

PAS: Was ist die Motivation der in der Frühpädagogik arbeitenden Berufstätigen sich akademisch weiterzubilden?

UW: Pädagogische Fachkräfte, insbesondere die des frühpädagogischen Feldes zeichnete schon immer eine hohe Bereitschaft aus, sich stetig weiter zu bilden. Dies gilt im Übrigen nicht nur für den deutschsprachigen Raum. Das Angebot hat sich in den letzten Jahren zunehmend verbreitert und ist nahezu unüberblickbar geworden. Sowohl auf fachlich-inhaltlicher Ebene als auch im Bereich der Persönlichkeitsbildung oder zu ganz konkreten bildungspolitischen Entwicklungen und Veränderungen werden Fort- und Weiterbildungen angeboten und von pädagogischen Fachkräften in der Mehrzahl über den Weg einer nicht formalen Weiterbildung, z.B. intern über den Arbeitgeber oder extern über Workshops oder mehrtägige Seminarreihen, in Anspruch genommen. In der Minderzahl sind in Deutschland nach wie vor formale Weiterbildungsangebote im frühpädagogischen Bereich.

An diesem Punkt setzt auch das Angebot „Leitungsverantwortung in der Frühpädagogik“ an. Denn die Weiterbildungsstudierenden haben hier nicht nur die Möglichkeit ihr Wissen, ihre Kenntnisse und Kompetenzen zu erweitern und zertifizieren zu lassen. Darüber hinaus ermöglicht das formale akademische Weiterbildungsangebot in hohem Maße eine selbstreflexive, persönliche wie fachliche Weiterentwicklung und bietet den Weiterbildungsstudierenden außerdem die Möglichkeit, im Anschluss mit dem Erwerb des Bachelor of Arts im Studiengang Pädagogik der Kindheit einen akademischen Grad zu erlangen.

PAS: Was muss Ihrer Meinung nach passieren, dass die Arbeit von Erzieher/-innen mehr wertgeschätzt und auch besser honoriert wird?

UW: Für die Wertschätzung der Arbeit benötigen wir eine breite gesellschaftliche Akzeptanz und auf dem Weg dahin eine gute Öffentlichkeitsarbeit. Während die Berufsbezeichnung „Kindheitspädagoge/In“ vor wenigen Jahren noch kaum bekannt war,  ist sie heute, nicht zuletzt nach der überfälligen staatlichen Anerkennung nicht nur in entsprechenden Regularien schriftlich fixiert, sondern auch bei einschlägigen Arbeitgebern und ferner auch bei Eltern und Gewerkschaften im Bewusstsein vorhanden. Das ist ein guter Nährboden, um im zweiten Schritt auch etwas auf tariflicher Ebene zu bewegen.  In Karlsruhe pflegen wir intensiven Austausch mit der GEW, um innerhalb des uns Möglichen nicht nur unsere Absolventen auf das Feld, sondern auch das Feld auf unsere Absolventen vorzubereiten.  Und schließlich ist es auch der breiten Öffentlichkeit nicht entgangen, dass die politische Parole „Die besten für die Kleinsten“ keine Zugkraft besitzt, solange die „Besten“ verglichen mit anderen pädagogischen Berufen nicht eben gut bezahlt werden.  Da immer mehr Familien mit Kindern in immer früheren Jahren auf die außerfamiliäre Betreuung, Erziehung und Bildung ihrer Kinder angewiesen sind, steigt der gesellschaftliche Druck den wissenschaftlichen Befunden über die Bedeutung der frühen Lebensjahre auch monetär Rechnung zu tragen. 

Steckbrief „Leitungsverantwortung in der Frühpädagogik“ mit Ziel Bachelor of Arts:

  • Studienbeginn: 24.10.2014
  • Anmeldeschluss: 24.09.2014
  • Studienort: Pädagogische Hochschule Karlsruhe
  • Studiendauer: vier Semester mit 36 Präsenztagen
  • Abschluss: Hochschulzertifikat, Ziel Bachelor of Arts
  • Studiengangsleiter: Prof. Dr. Ulrich Wehner
  • Gesamtkosten: 3.900,- Euro (in flexibel gestaltbaren Raten zahlbar)
  • Zielgruppe: Führungskräfte und an Führungsaufgaben interessierte Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung
  • Zugangsvoraussetzungen: keine Hochschulreife erforderlich, aber mindestens dreijährige Berufserfahrung und dreijährige Ausbildung als Erzieher/-in, Jugend- und Heimerzieher/-in, Heilerziehungspfleger/-in inkl. Staatlicher Anerkennung
  • Kooperationspartner: Pädagogische Hochschule Karlsruhe

Gerne berät Sie auch Jule Feldhaus, Leiterin Akademische Weiterbildung unter Tel. 0711-2155-184 oder per E-Mail.

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