Prof. Dr. Schafmeister

Berufsbegleitendes Studieren - "Die eigene Einstellung ist entscheidend"

Prof. Dr. Sylvia Schafmeister leitet den berufsbegleitenden Bachelorstudiengang Management in Gesundheits- und Pflegeberufen, der auch für Studierende ohne Abitur offen ist. Im Interview spricht sie über aktuelle Herausforderungen im Gesundheitswesen. Sie verrät außerdem, was die Herausforderungen und Vorteile berufsbegleitenden Studierens sind und wie die Absolventen den Bachelor-Abschluss nutzen.

PAS: Wer studiert im berufsbegleitenden Studiengang „Management für Gesundheits- und Pflegeberufe B.A.“?

Sylvia Schafmeister: Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpfleger/-innen, Altenpfleger/-innen, Physio-, Ergo- und Logopäden, Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte, Rettungsassistent/-innen und weitere Gesundheitsberufe, die sich für eine Führungskarriere im Rahmen ihrer Fachlaufbahn qualifizieren wollen.

PAS: Warum studieren, wenn man bereits mitten im Arbeitsleben stehen?

Schafmeister: Viele unserer Studierenden haben ihre Fachausbildung vor mehreren Jahren abgeschlossen und merken, dass die Veränderungen im Gesundheitswesen immer schneller und nachhaltiger ihre eigentliche pflegerische und therapeutische Tätigkeit verändern. Aus diesem Grund wollen sie mehr über die ökonomischen Veränderungen erfahren und selbst betriebswirtschaftliche Instrumente und Management-Methoden, an die Hand bekomme, die sie befähigen, in dem turbulenten Umfeld nicht Getriebene sondern Handelnde zu sein. Darüber hinaus besteht bei vielen der Wunsch, sich fachlich und methodisch weiterzuentwickeln.

PAS: Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Herausforderun­gen im Gesundheits- und Sozialwesen?

Schafmeister: Sie werden mit den Schlagwörtern Ökonomisie­rung, Internationalisierung, ethische Verankerung der Gesund­heitsversorgung eigentlich gut umschrieben. Der Kostendruck auf Pflegeeinrichtungen ist enorm, die Verhandlungsspielräu­me für erhöhte Pflegebudgets angesichts der demografischen Entwicklung gering. Daher sind viele Träger gehalten, striktes Kostenmanagement und Prozessoptimierungen in den Einrich­tungen umzusetzen. Welche Auswirkungen hat dies auf medizinische, pflegerische und therapeutische Qualität? Wie können dennoch patienteno­rientierte Behandlungs- und Pflegekonzepte umgesetzt werden? Dies sind aus meiner Sicht die größten Herausforderungen für eine wertebasierte Betriebswirtschaftslehre und die für das Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen verant­wortlichen Führungskräfte.

PAS: Was zeichnet die Kooperation zwischen der Hochschule und der Paritätischen Akademie Süd aus?

Schafmeister: Die Hochschule Neu-Ulm hat ihren fachlichen Fokus auf betriebswirtschaftlichen Themen. Wir verstehen uns als Business School, das bedeutet der Anwendungsbezug der vermittelten Fachinhalte steht im Vordergrund. Im Studiengang unterrichten Hochschullehrer/-innen und Praktiker, die selbst über Managementerfahrungen aus dem Gesundheits- und Pflegebereich verfügen. Die Paritätische Akademie Süd bringt für uns sehr wertvolle Erfahrungen aus dem Alten- und Pflegebereich SGB XI mit. Als Bildungsträger des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes steht die Akademie für Bildungsthemen und soziale Wohlfahrt und bereichert unsere Kooperation mit einem nachhaltigen Blick, gerade wenn es um das Thema „ethische Verankerung“ der Gesundheits- und Pflegeversorgung geht.</p>

PAS: Auf dem 2. WissensTransferTages 2014 wurden erstmalig die besten Bachelorarbeiten u.a. des berufsbegleitenden Studiengangs „Management für Gesundheits- und Pflegeberufe“ vorgestellt. Eine tolle Honorierung der Studenten. Was waren die Themen, mit denen sich die Studenten beschäftigt haben?

Schafmeister: Ein wichtiges Thema war beispielsweise die „Delegation pflegerischer Leistungen an angelernte Kräfte“, auch Qualifikationsmix genannt. Es ist aktuell ein großes Thema in Krankenhäusern, um dem Kostendruck zu begegnen. Die Autoren konnten aber aufzeigen, dass nicht nur Kostenargumente für einen Qualifikationsmix sprechen, sondern auch differenzierte Kompetenzanforderungen auf Station. Im SGB XI Bereich wird schon lange mit sogenannten Pflegehilfskräften gearbeitet, hier ist eher das Thema, die Mindest-Fachkraftquote von 50% zu halten! Darüber hinaus wurden die Konsequenzen der Demographie für Personalentwicklung dargestellt. In diesem Zusammenhang wurde diskutiert, inwieweit ein Qualifikationsmix auf Station den Einsatz „alternder“ Belegschaften nicht behindere. Weitere spannende Themen waren beispielsweise die Auswirkungen des Pflegeneuausrichtungsgesetz auf die Wirtschaftlichkeit des ambulanten Pflegedienstes oder die wirtschaftliche Erbringung einer modernen Wundversorgung in der ambulanten Pflege. Allen Themen gemeinsam war die Fragestellung, wie patientenorientierte Konzepte betriebswirtschaftlich umsetzbar sind. Die Ergebnisse der Studierenden waren erfreulich: gute Pflege oder Therapie ist möglich, auch unter dem aktuellen ökonomischen Druck!

PAS: Wie nutzen Ihre Absolventen den Abschlussabschluss?

Schafmeister: Ein Teil der Studierenden hat schon während des Studiums oder kurz nach Abschluss die nächste Karrierestufe innerhalb der Fachlaufbahn erklommen: beispielsweise Pflege­dienstleitung, Leitung eines Wohnbereichs, eines ambulanten Pflegedienstes oder einer Sozialstation. Ein anderer Teil geht in die Selbständigkeit oder wechselt in einen anderen Sektor, zum Beispiel als Fachberater oder Leitung eines Bereichs beim Medizinischen Dienst der Kranken- und Pflegekassen. Andere verste­hen die Zusammenhänge jetzt besser und nutzen die erworbenen Kompetenzen innerhalb ihres aktuellen Stellenprofils.

PAS: Was ist ihre persönliche Empfehlung, die Sie Studieninte­ressierten im Vorfeld geben?

Schafmeister: Überlegen Sie, wohin Sie sich in den nächsten fünf Jahren entwickeln möchten. Wenn Sie mehr über betriebs­wirtschaftliche Zusammenhänge und Managementthemen erfahren wollen, kann ein Studium wertvollen Input geben.

PAS: Was ist die größte Herausforderung während der Studi­enzeit?

Schafmeister: Die zeitlichen Belastungen Studium – Beruf, Fa­milie, Freunde – über die drei Jahre zu vereinbaren. Am Anfang besteht eine große Motivation für das Studium, nach der Hälfte der Studienzeit fallen jedoch viele in ein Motivationsloch, weil die zeitlichen Belastungen aus Studium und Beruf ihren Tribut zollen und Privates und Freizeit darunter leiden. Hier kommt unserer Lernorganisation in Kleingruppen eine ganz zentrale Bedeutung zu. Die Gruppenmitglieder stützen sich gegenseitig und meistern die nächsten Schritte hin zum Bachelorabschluss gemeinsam. Unsere niedrigen Abbruchquoten bestätigen uns in dieser Lernorganisation.

PAS: Wie profitieren die Studierenden in Ihrer persönlichen Entwicklung?

Schafmeister: Unsere Studierenden wachsen mit jeder Lehrein­heit, mit jedem bestandenen Leistungsnachweis, mit jeder Gruppendiskussion! Das Schönste für mich ist, wenn ich am Ende des Studiums Menschen sehe, die viel mitgenommen haben, gewachsen sind und jetzt uns als Lehrenden Einsichten, Gedanken, Ideen zurückgeben!

PAS: Sie leiten diesen Studiengang, verantworten den gesamten Weiterbildungsbereich der Hochschule und lehren Personal- und Organisationsmanagement. Was ist ihr Rat, um Studium, Familie und Beruf erfolgreich zu vereinbaren?

Schafmeister: Sich selbst zu verorten und schauen, welche Er­wartungen habe ich an das Studium, meinen Beruf während des Studiums, meine Familie. Zu hohe Erwartungen bringen mich in ein Spannungsfeld, das ich für drei Jahre nicht aushalten werden kann. Also muss ich Abstriche in einem oder allen Lebensbe­reichen machen; dies muss ich mit meinem Partner (Haushalt), meiner Familie (Haushalt, „Anspruch, alles selbst zu kochen, etc.“), meinem Arbeitgeber (zum Beispiel durch Arbeitszeitkür­zung) regeln. Schließlich muss ich mich zeitlich sehr gut organi­sieren, dazu gehört, dass ich mir Lernzeiten wie Familien-/Frei­zeiten einplane und Pufferzeiten organisiere. Aber entscheidend bleibt der innere Bezug zum Studium, dieses „Wachsen wollen“, denn dann genieße ich die Zeit für „mein“ Studium und die zeit­liche Belastung wird nicht als Mehrbelastung sondern als positiv und spannend empfunden!


Prof. Schafmeister hat die strategische Leitung Weiterbildung der Hochschule Neu-Ulm inne und ist Studiendekanin der Fakultät Gesundheitsmanagement. Sie leitet außerdem den berufsbegleitenden Bachelorstudiengang Management in Gesundheits- und Pflegeberufen, den man ohne Abitur studieren kann.

Die Hochschule Neu-Ulm mit betriebswirtschaftlichem Fokus bietet in Kooperation mit der Paritätischen Akademie Süd den berufsbegleitenden Bachelorstudiengang Management in Gesund­heits- und Pflegeberufen an, der am 09. März 2015 zum fünften Mal starten wird. Die interdisziplinäre berufsbegleitende akademische Weiterbildung hat das Ziel, den Studierenden Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen, sowie Schlüsselqualifikationen zu vermitteln, um die Führungsaufga­ben erfolgreich zu bewältigen. Die Bewerbungsphase für das sechs­semestrige Bachelor-Studium geht noch bis zum 15. Januar 2015. Es unterrichten Hochschullehrer und Praktiker, die selbst über Manage­menterfahrungen im Gesundheits- und Pflegebereich verfügen.

Infoveranstaltungen

Donnerstag, 04.12.2014 von 16:00 bis 18:00 Uhr, Hochschule Neu-Ulm, Wileystr. 1 (Hauptgebäude), 89231 Neu-Ulm, www.hs-neu-ulm.de und

Donnerstag, 11.12.2014, 18 – 20 Uhr im PMGZ, Hauptstr. 28,
70563 Stuttgart-Vaihingen

Kontakt und Beratung:
Jule Feldhaus, 0711 2155-184, feldhaus@akademiesued.org

Eine gekürzte Version des Interviews finden Sie auch in der Dezember 2014 Ausgabe von Altenpflege, das Magazin für Fachkräfte in der Altenpflege aus dem Vincentz Verlag. Mehr Infos unter: http://www.altenpflege-online.net

 

 

Veröffentlichungsdatum